Transkutane aurikuläre Vagusnervstimulation (taVNS) – Sanfte Nervenstimulation in der Ergomedic-Praxis
Was ist taVNS?
Die transkutane aurikuläre Vagusnervstimulation (taVNS) ist eine moderne, nicht-invasive Therapiemethode, bei der der Vagusnerv durch sanfte elektrische Impulse über das Ohr stimuliert wird. Der Vagusnerv ist der längste Hirnnerv unseres Körpers und eine zentrale Schaltstelle des parasympathischen Nervensystems – also des Systems, das für Entspannung, Regeneration und Heilung zuständig ist.
Im Gegensatz zur invasiven Vagusnervstimulation, die einen chirurgischen Eingriff erfordert, wird bei taVNS eine kleine Elektrode ähnlich einem Ohrhörer am Ohr platziert. Diese stimuliert einen Ast des Vagusnervs, der in einem bestimmten Bereich der Ohrmuschel (Cymba concha oder Tragus) verläuft. Das Verfahren ist schmerzfrei und sicher.
Die Methode basiert auf anatomischen Erkenntnissen, dass bestimmte Bereiche des Ohres vom aurikulären Ast des Vagusnervs innerviert werden. Diese Entdeckung ermöglicht es, den Vagusnerv durch die Haut hindurch zu stimulieren – ohne Operation, ohne Krankenhausaufenthalt, ohne Risiken eines invasiven Eingriffs.
Wie wirkt taVNS?
Der Vagusnerv erstreckt sich vom Hirnstamm durch den gesamten Körper und beeinflusst nahezu alle wichtigen Organe – Herz, Lunge, Magen-Darm-Trakt und viele mehr. Er ist ein wesentlicher Teil unseres autonomen Nervensystems und spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation von Entzündungsprozessen, Stimmung, Herzfrequenz und Verdauung.


Der Wirkmechanismus von taVNS
Wenn der Vagusnerv durch sanfte elektrische Impulse am Ohr stimuliert wird, werden diese Signale zum Hirnstamm weitergeleitet und von dort in verschiedene Gehirnregionen verteilt. Dies führt zu mehreren positiven Effekten:
- Aktivierung des Nucleus tractus solitarius (NTS) im Hirnstamm, der als zentrale Schaltstelle für Vagusnerv-Signale dient
- Erhöhung von Neurotransmittern wie Noradrenalin und Serotonin, die für Stimmung und Aufmerksamkeit wichtig sind
- Wiederherstellung des autonomen Gleichgewichts: Reduktion der sympathischen Überaktivität und Stärkung der parasympathischen Aktivität
- Entzündungshemmende Wirkung durch Aktivierung des cholinergen anti-inflammatorischen Signalwegs
- Verbesserung der Herzratenvariabilität (HRV), ein Marker für Stressresilienz und autonome Balance
Was spürt man während der Behandlung?
Die meisten Patienten spüren während der Stimulation ein leichtes, angenehmes Kribbeln oder Pulsieren am Ohr. Die Intensität wird individuell so eingestellt, dass die Behandlung komfortabel ist. Viele Patienten berichten von einem entspannenden, beruhigenden Gefühl während und nach der Anwendung.
Für welche Erkrankungen ist taVNS wirksam?
Die wissenschaftliche Forschung hat die Wirksamkeit von taVNS bei verschiedenen neurologischen, psychiatrischen und chronischen Erkrankungen untersucht. Die Methode ist bereits in medizinischen Leitlinien für bestimmte Indikationen aufgenommen.
Neurologische Erkrankungen
Epilepsie (hohe Evidenz)
Die transkutane Vagusnervstimulation ist in der Schweiz für die Behandlung von medikamentenresistenter Epilepsie zugelassen. Bei Epilepsiepatienten kann die Anfallshäufigkeit verringert werden, wobei nach fünf Monaten durchschnittlich eine Reduktion um 23 Prozent beobachtet wurde. Die Patienten berichten zusätzlich von einer deutlichen Verbesserung ihrer Lebensqualität.
Migräne und chronische Kopfschmerzen (hohe Evidenz)
Studien zur taVNS bei chronischer Migräne zeigen nach einem Monat eine Reduktion der Migränetage um mehr als vier Tage, nach drei Monaten täglicher Anwendung sogar eine Reduktion um bis zu sieben Tage pro Monat. Die Wirksamkeit ist vergleichbar mit etablierten Medikamenten wie Topiramat und Botox.
Chronische Schmerzen
Die Vagusnervstimulation wird für die Behandlung chronischer Schmerzen wie Fibromyalgie und anderen Schmerzsyndromen diskutiert. Die Forschung zeigt vielversprechende Ergebnisse durch die entzündungshemmende Wirkung der Vagusnervstimulation.
Parkinson-Krankheit
Bei Parkinson gibt es vielversprechende Forschungsergebnisse und positive Patientenberichte über Effekte der taVNS-Therapie, insbesondere bezüglich nicht-motorischer Symptome wie Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen.
Psychiatrische Erkrankungen
Depression (moderate bis hohe Evidenz)
Die transkutane Vagusnervstimulation ist für die Behandlung von Depression zugelassen. Eine Meta-Analyse zeigt, dass taVNS eine effektive und sichere Methode zur Linderung von Depressionssymptomen ist, mit einer vergleichbaren Ansprechrate wie Antidepressiva. Bei Erwachsenen mit Depressionen wird die transkutane aurikuläre Vagusnervstimulation bereits erfolgreich eingesetzt, und es gibt auch erfolgreiche Anwendungen bei jugendlichen Patienten mit therapieresistenter Depression.
Angststörungen
Die Vagusnervstimulation zeigt positive Effekte bei verschiedenen Angststörungen durch die beruhigende Wirkung auf das autonome Nervensystem und die Regulation von Stresshormonen.
Weitere psychiatrische Anwendungen:
- Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
- Zwangsstörungen
- Unterstützung bei Suchterkrankungen
Chronische Entzündungserkrankungen
Der Vagusnerv spielt eine zentrale Rolle bei der Regulation von Entzündungsprozessen. TaVNS aktiviert den sogenannten cholinergen anti-inflammatorischen Signalweg, wodurch Entzündungsreaktionen im Körper gedämpft werden können.
Anwendungsgebiete:
- Chronische Darmerkrankungen (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa)
- Rheumatoide Arthritis
- Chronische Erschöpfung (Fatigue)
- Long COVID-Symptome (aktuell in Studien untersucht)
Schlafstörungen und vegetative Dysregulation
TaVNS kann bei chronischer Schlaflosigkeit helfen, indem es das autonome Gleichgewicht wiederherstellt und die parasympathische Aktivität erhöht. Besonders wirksam ist die Methode bei Patienten, deren Schlafstörungen durch Stress und sympathische Überaktivität verursacht werden.
Weitere Anwendungsgebiete in der Forschung:
- Herzinsuffizienz
- Diabetes mellitus Typ 2
- Tinnitus
- Kognitive Beeinträchtigungen
- Wechseljahresbeschwerden
Behandlungsablauf bei Ergomedic
Erstgespräch und individuelle Therapieplanung
Vor Beginn der taVNS-Therapie führen wir ein ausführliches Erstgespräch. Dabei werden Ihre Beschwerden, Vorerkrankungen und Behandlungsziele besprochen. Wir überprüfen mögliche Kontraindikationen und erstellen einen individuellen Behandlungsplan, der optimal auf Ihre Bedürfnisse abgestimmt ist.
Die Behandlung
Dauer und Häufigkeit:
- Einzelsitzung: 30-60 Minuten
- Akutphase: Täglich oder 5x pro Woche über 2-4 Wochen
- Erhaltungstherapie: 2-3x wöchentlich je nach Bedarf und Krankheitsbild
- Insgesamt sind meist 10-30 Sitzungen empfehlenswert
Ablauf einer Sitzung:
- Sie nehmen eine entspannte, bequeme Position ein
- Die Ohrelektrode wird am linken oder rechten Ohr platziert (meist Cymba concha oder Tragus)
- Die Stimulationsintensität wird individuell eingestellt – Sie sollten ein angenehmes Kribbeln spüren
- Während der Stimulation können Sie entspannen, lesen oder einfach zur Ruhe kommen
- Die Behandlung ist völlig schmerzfrei
Kombination mit anderen Therapien
TaVNS entfaltet seine optimale Wirkung oft in Kombination mit:
- Ergotherapeutischen Maßnahmen bei neurologischen Erkrankungen
- Physiotherapie bei Schmerz- und Bewegungsstörungen
- Psychotherapie bei Depression und Angststörungen
- Entspannungstechniken wie Atemübungen oder Meditation
- Medikamentöser Therapie (als Ergänzung oder zur Reduktion der Medikamentendosis)
Nebenwirkungen und Verträglichkeit
TaVNS ist eine sichere Technik mit minimalen Nebenwirkungen, wobei Hautreizungen oder Rötungen die häufigste Nebenwirkung darstellen. Die Methode wird von der großen Mehrheit der Patienten ausgezeichnet vertragen.
Häufige, harmlose Nebenwirkungen:
- Leichte Hautrötungen oder Schmerzen an der Elektrodenstelle
- Vorübergehendes Kribbeln am Ohr
- Selten Schwindel, Übelkeit oder Müdigkeit
- Alle Nebenwirkungen sind mild und vorübergehend
Wichtige Sicherheitsaspekte:
- Die transkutane Stimulation ist weitgehend frei von Nebenwirkungen und gut verträglich
- Keine Operation erforderlich
- Keine Narkoserisiken
- Keine Medikamente notwendig
- Die Verträglichkeit wird von über 75 Prozent der Patienten als gut bis exzellent eingestuft
Kontraindikationen – Wann ist taVNS nicht geeignet?
Kontraindikationen umfassen aktuelle oder vergangene Herz-Kreislauf-Störungen, Gesichts- oder Ohrschmerzen, kürzliches Ohr-Trauma sowie Metallimplantate oberhalb des Halsniveaus.
Absolute Kontraindikationen:
- Herzschrittmacher oder implantierter Defibrillator
- Implantierter Hirnstimulator (z.B. bei Parkinson)
- Metallimplantate im Kopf-Hals-Bereich (oberhalb des Halses)
- Aktive Herzerkrankungen: Bradykarde Herzrhythmusstörungen, akuter Herzinfarkt, schwere Herzinsuffizienz
- Schwangerschaft (aus Vorsichtsgründen, Datenlage noch unzureichend)
Relative Kontraindikationen – Vorsicht geboten bei:
- Hautverletzungen oder Infektionen am Ohr
- Epilepsie ohne vorherige ärztliche Absprache
- Schweren psychiatrischen Erkrankungen (nur unter Aufsicht)
- Aktuellen oder früheren Stimmungsstörungen bei Forschungsanwendungen
- Zustand nach Vagotomie (chirurgische Durchtrennung des Vagusnervs)
Wissenschaftliche Fundierung
Die taVNS ist wissenschaftlich gut erforscht. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden zahlreiche Studien durchgeführt, die die Wirksamkeit und Sicherheit bei verschiedenen Erkrankungen belegen.
Wichtige wissenschaftliche Publikationen:
Grundlagen und Mechanismen:
- Ventureyra EC. „Transcutaneous vagus nerve stimulation for partial onset seizure therapy. A new concept.“ Child’s Nervous System, 2000
- Kraus T et al. „BOLD fMRI deactivation of limbic and temporal brain structures and mood enhancing effect by transcutaneous vagus nerve stimulation.“ Journal of Neural Transmission, 2007
- Yakunina N et al. „Optimization of Transcutaneous Vagus Nerve Stimulation Using Functional MRI.“ Neuromodulation, 2017
Klinische Wirksamkeit bei Epilepsie:
- Bauer S et al. „Transcutaneous Vagus Nerve Stimulation (tVNS) for Treatment of Drug-Resistant Epilepsy: A Randomized, Double-Blind Clinical Trial.“ Brain Stimulation, 2016
- Ben-Menachem E et al. „Learnings from 30 years of reported efficacy and safety of vagus nerve stimulation.“ Seizure, 2015
Wirksamkeit bei Depression:
- Liu J et al. „Transcutaneous vagus nerve stimulation modulates amygdala functional connectivity in patients with depression.“ Journal of Affective Disorders, 2016
- Rong P et al. „Effect of transcutaneous auricular vagus nerve stimulation on major depressive disorder: A nonrandomized controlled pilot study.“ Journal of Affective Disorders, 2016
- Hein E et al. „Auricular transcutaneous electrical nerve stimulation in depressed patients: a randomized controlled pilot study.“ Journal of Neural Transmission, 2013
Schmerztherapie:
- Likar R et al. „Klinische Wirksamkeit der aurikulären Vagusnervstimulation in der Behandlung chronischer und akuter Schmerzen.“ Der Schmerz, 2023
Anwendung bei Migräne:
- Zhang Y et al. „Transcutaneous auricular vagus nerve stimulation (taVNS) for migraine: an fMRI study.“ Regional Anesthesia & Pain Medicine, 2021
Sicherheit:
- Badran BW et al. „Laboratory Administration of Transcutaneous Auricular Vagus Nerve Stimulation (taVNS): Technique, Targeting, and Considerations.“ Journal of Visualized Experiments, 2019
Weiterführende Informationen:
- PubMed-Datenbank: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov (Suchbegriff: „transcutaneous auricular vagus nerve stimulation“ oder „taVNS“)
- Hersteller-Website: https://t-vns.com/de/
- Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie: https://dgkn.de
Kostenübernahme
Die taVNS-Behandlung ist derzeit bei den meisten Indikationen keine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen und wird als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten. Bei bestimmten Diagnosen wie therapieresistenter Epilepsie oder schwerer Depression können Einzelfallanträge bei den Krankenkassen gestellt werden.
Private Krankenversicherungen übernehmen die Kosten in vielen Fällen ganz oder teilweise, insbesondere wenn eine medizinische Notwendigkeit dokumentiert ist. Wir unterstützen Sie gerne bei der Antragstellung und erstellen ausführliche Arztberichte für Ihre Versicherung.
Wir beraten Sie transparent über die Behandlungskosten und erstellen Ihnen einen detaillierten Kostenvoranschlag.
Vorteile der taVNS bei Ergomedic
✓ Nicht-invasiv und schmerzfrei – keine Operation, keine Narkose erforderlich ✓ Ambulante Behandlung – Integration in den Alltag möglich ✓ Sehr gut verträglich – minimale Nebenwirkungen ✓ Vielseitig einsetzbar – bei neurologischen, psychiatrischen und chronischen Erkrankungen ✓ Medikamentenreduktion möglich – kann helfen, Medikamente zu reduzieren oder zu vermeiden ✓ Kombinierbar – optimal mit Ergotherapie und anderen Therapieformen ✓ Wissenschaftlich fundiert – über 20 Jahre Forschung und klinische Erfahrung ✓ Langzeitanwendung sicher – auch über Monate und Jahre anwendbar
Ihr nächster Schritt
Interessieren Sie sich für eine taVNS-Behandlung? Vereinbaren Sie einen unverbindlichen Beratungstermin in unserer Ergomedic-Praxis in Pulheim-Brauweiler.
In einem ausführlichen Erstgespräch:
- Analysieren wir Ihre Beschwerden und Behandlungsziele
- Überprüfen wir die Eignung der taVNS-Therapie für Ihren Fall
- Erklären wir Ihnen den genauen Ablauf und die zu erwartenden Ergebnisse
- Beantworten wir alle Ihre Fragen zur Therapie
- Erstellen wir einen individuellen Behandlungsplan
Kontaktieren Sie uns für weitere Informationen oder zur Terminvereinbarung.
Unsere erfahrenen Therapeuten begleiten Sie kompetent und einfühlsam auf Ihrem Weg zu mehr Lebensqualität und Gesundheit.